Seit Kurzem gilt die neue Gebührenordnung für Tierärzte. Das bedeutet, dass viele Leistungen jetzt mehr kosten. Was genau heißt das für die Tierheime, die sowieso schon knapp bei Kasse sind? DeineTierwelt hat nachgefragt.

Wegen der neuen Gebührenverordnung für Tierärzte (GOT) machen sich nicht nur die Tierhalter Gedanken um gestiegene Preise von Behandlungen, sondern auch die Tierheime. „Wir sind tatsächlich voller Sorge, dass die neue GOT für vermehrte Aussetzungen und Tierheim-Aufnahmen sorgt“, sagt Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein (HTV) gegenüber DeineTierwelt.

„Unsere Empfangsmitarbeiterinnen berichten von einer derzeit enormen Zahl an Abgabeanfragen, insbesondere für Hunde und Katzen“, so Fraaß weiter. Diese seien bisher jedoch oftmals auf unüberlegte Internetkäufe von Rassetieren zurückzuführen – die gestiegenen Kosten würden im Großteil der Anfragen als weiteres Argument genannt, aber nicht als Auslöser.
Zwickmühle: Tier krank, aber kein Geld
Bei einem vor Kurzem aufgenommenen Pantherchamäleon und einer Katze seien finanzielle Nöte als Abgabegrund genannt worden. Im September hatte das Tierheim vier Königspythons aufgenommen, die vor der Einrichtung ausgesetzt worden waren. Hier vermuten die Tierschützer des „HTV“ ebenfalls, dass die steigenden Energiepreise dahinter gesteckt haben könnten.
Bei den ausgesetzten Tieren bleiben die Gründe, warum sie zurückgelassen wurden, natürlich meist offen. „Sicherlich spielt bei diesen Tieren die finanzielle Not auch oft eine große Rolle, gar die GOT vordergründig, aber das ist ja nur zu mutmaßen“, schlussfolgert Fraaß. Aus Scham würden sich viele Tierhalter scheuen, ihre Geldsorgen zuzugeben. Stattdessen würden sie andere Rechtfertigungen vorschieben.
„Oft werden Geschichten gesponnen, in denen es um andere oder weitere Probleme geht, um die Abgabe quasi zu legitimieren und selbst nicht so schlecht dazustehen, obgleich wir jeden auch noch so profanen Grund akzeptieren würden und einfach froh sind, wenn ein Tier nicht ausgesetzt wird“, berichtet Fraaß. Auffällig sei auch, dass nun mehr Jungtiere abgegeben werden als früher.
Mehr abgegebene Tiere, weniger Vermittlungen
„Ob nun abgegeben oder ausgesetzt: Für uns resultieren daraus mehr Tieraufnahmen, mehr Einsätze und sicherlich auch weniger Vermittlungen – dementsprechend volle Abteilungen, mehr Arbeit pro Kopf und mehr Ausgaben für uns“, sagt der Tierheim-Sprecher.
Nicht zu vergessen sei, dass die Tierheime bereits zuvor schon von der Energiekrise und steigenden Preisen für Strom, Heizung, Medikamente und Futter getroffen wurden. Während eine Privatperson etwa 80 Euro Strom pro Monate zahle, liege der Betrag beim Tierheim monatlich im vierstelligen Bereich, ordnet Tanja Schnabel ein. Sie leitet das Tierheim Nürnberg.

„Das wird bitter“
Nun kämen die gestiegenen Tierarztkosten hinzu, die zukünftig wahrscheinlich noch mehr Haustierbesitzer zu der Entscheidung treiben, ihr Tier abzugeben. Diese Tiere seien dann offensichtlich krank, sodass diese Kosten vom Tierheim getragen werden müssen. „Wir sind also doppelt gestraft und sehen mit sehr großem Respekt den nächsten Monaten entgegen, das wird bitter“, sagt Schnabel im Gespräch mit DeineTierwelt.
Diese Entwicklung bleibe es aber zunächst abzuwarten, betont die Tierheimleiterin. „Noch ist es zu früh, dazu eine Aussage zu treffen, weil die neue GOT ja auch erst seit Kurzem gilt. Allgemein beobachten wir aber den Trend, dass in den vergangenen Jahren vermehrt kranken Tiere abgegeben wurden“, sagt sie und fügt hinzu: „Das betrifft uns alle, sowohl die großen, als auch die kleinen Tierheime.“
Wenn eine Operation nun statt 2.000 Euro plötzlich 3.500 Euro kostet, sei das ein großer Sprung. Die meisten Tierheime finanzieren sich vor allem durch Spenden, Sponsoren und Mitgliedsbeiträge und sind ohnehin „auf Kante genäht“, haben also kaum bis keine Rücklagen.
„Eine große Katastrophe“
„Die Erhöhungen durch die neue GOT treffen uns massiv. Das ist eine große Katastrophe“, sagt Schnabel. Zwar gebe es eine Tierärztin im Haus, diese würden aber vor allem kleinere Behandlungen wie Kastrationen und Impfungen durchführen.
Beim Tierheim des Hamburger Tierschutzvereins sieht es ähnlich aus. Als zweitgrößtes Tierheim in Deutschland – zumindest auf die Aufnahmezahl von 11.000 Tieren pro Jahr bezogen – verfüge das Tierheim des „HTV“ sogar sechs Tierärzte, aber auch niemanden in Vollzeit. „Insofern können wir glücklicherweise viele Behandlungen selbst vornehmen“, sagt Fraaß. Notfälle, anspruchsvolle, komplexere Operationen und Intensivbetreuungen müssen von externen Tierärzten in Kliniken vorgenommen werden – und die sind teuer.
Trotz eines prinzipiell möglichen Entgegenkommens, was den Preis betreffe, schlage die GOT also auch bei den Tierheimen zu Buche, so Fraaß weiter. Noch seien die Kosten, die demnächst auf die Tierheime zukommen, nicht abschätzbar, ergänzt Schnabel. Schließlich hänge dies auch immer von den individuellen Fällen ab. „Das ist null vorhersehbar“, sagt die Tierheim-Chefin.
Appell an die Politik und Hundeführerschein
Aber was könnte eine Lösung für das Problem sein? Schnabel: „Es muss dauerhaft überlegt werden, inwieweit die Tierheime von der Politik unterstützt werden können, denn wenn die Tierheime der Reihe nach pleite gehen und schließen müssen, liegt die komplette Verantwortung der Tierunterbringung von Fund- und Verwahrtieren bei den jeweiligen Städte und Kommunen oder Städten.“
Das könne auch nicht die Lösung sein, denn dafür fehle ihnen die Infrastruktur wie eigene Tierheime oder Personal. Das alles von heute auf morgen aus dem Boden zu stampfen, sei auch nicht realistisch, argumentiert Schnabel. Dann wäre es deutlich geschickter, die bereits vorhandenen Strukturen, nämlich die gemeinnützigen Vereine, finanziell zu unterstützen. Zudem halte sie einen Hundeführerschein für sinnvoll, um bereits vorab herauszufiltern, wer doch nicht als Tierhalter geeignet ist.