Ja, ich gebe es gleich ganz zu Anfang zu – wir kaufen auch im Internet, genauer gesagt, bei Amazon! Temu oder Aliexpress sind auch für uns grundsätzlich tabu. Ich sage dies zu Beginn, damit ich allen „Shit-Stormern“ nach dem Lesen dieses Textes den Wind aus den Segeln nehme. Man sagt ja, wenn ich offen etwas zugebe, dann bin ich nicht mehr so angreifbar. Natürlich weiß ich, dass ich nur mit meinen Einkäufen in regionalen Geschäften die örtliche Wirtschaft unterstütze, manchmal geht es aber nicht anders. Früher – die älteren werden sich noch erinnern können – war es sogar einmal beschämend, bei Aldi einzukaufen! Ich denke, das ist heute nicht mehr so. Zurück zu Amazon und dem Verpackungsirrsinn. Das Ladekabel funktioniert nicht mehr, ein Knick am Stecker. Natürlich am Wochenende. Schnell mal eben ins Internet, für eine Handvoll Euro ein passendes Kabel gefunden und zwei Klicks weiter gekauft. Montag morgen steht der passend uniformierte Paketbote vor der Tür und übergibt mir ein Paket von der Größe eines mittelgroßen Schuhkartons. Natürlich habe ich umgehend meine Frau gefragt, was sie noch bestellt hatte. Antwort: Nichts! Also, den Spezialverschluss aufgezogen und den Karton aufgeklappt – ich fühlte mich fast ein wenig wie ein Kind bei einem Weihnachtsgeschenk – und finde als erstes eine dicke Schicht Luftpolsterfolie. Etwas Besseres zum Schutz des Inhaltes gibt es wohl kaum, aber, Plastik in rauen Mengen und energieaufwändig in der Herstellung. Dann, eingezwängt in einer Ecke, der Karton mit dem bestellten Ladekabel. Im Karton eine Plastikhülle (!) und das mit einem Plastikdraht (!) verzwirbelte Kabel.
Dubai-Schokolade?
Mein „Weihnachts-Aufregungsgefühl-was-ist da wohl verpackt“ ist dahin. Ich hatte mich schon innerlich auf eine Weihnachtsüberraschung des weltgrößten Online-Shops gefreut. Eine 100er-Packung AAA-Batterien, die neusten Nike Air Jordan Sneaker vor der Markteinführung, eine Familienpackung Dominosteine oder 10 Tafeln Dubai-Schokolade ;-) Nehmen Sie einmal ein Ladekabel zur Hand dann stellen Sie sich den Berg von Plastik und Kartonmüll daneben vor. Kein Wunder, dass wir mit der großen blauen Tonne gerade so hinkommen. Gut, dass wir eine so gut funktionierende Nachbarschaft haben – wir helfen uns beim Befüllen unserer gelben und blauen Tonnen! Ich entwickele so langsam das Gefühl, dass Amazon diesen Verpackungsirrsinn mit Bedacht macht. Beim klassischen Weihnachtsshopping in der Stadt werden Endorphine freigesetzt, man freut sich beim Schaufensterbummel über die ausgestellten Artikel und wenn man etwas gefunden hat, noch mehr. Amazon versucht, etwas Emotionen in seine Verpackung zu packen! Größe und Aussehen der Kartons wecken Phantasien. Vielleicht soll es auch zusätzlich ein klitzekleines Workout mit sich bringen, die gut verklebten Packungen zu öffnen. Ich weiß, ich denke sehr optimistisch.
Schlimmer geht immer
Kürzlich bin ich dann endgültig vom Wahnsinn, der die Verpackungskünstler bei Amazon beseelt, überzeugt worden. Meine Frau hat das Nähen zu ihrem Hobby erklärt und stellt mittlerweile bestickte Kunstwerke in professioneller Manufaktur-Qualität her. Dazu benötigt sie manchmal besonderes Stickgarn und hat gerade eine (!) Rolle bestellt. 24 Stunden später – der altbekannte Paketbote in der dunklen Uniform steht vor der Tür und übergibt mir einen Umschlag, in dem garantiert der komplette Koalitionsvertrag (144 Seiten laut Spiegel, 720 Gramm nach eigener Berechnung) nebst aller Anlagen Platz hätte. Eine kleine Erhebung am unteren Ende wies mir den Weg. Genau eine Garnrolle, weniger als mein kleiner Finger groß. Die Krönung jedoch war ein Aufkleber auf der Vorderseite des Umschlages – glücklicherweise kein Karton von der Größe eines Kühlschrankes! „Leichtere Pakete durch weniger Verpackung“ stand dort groß geschrieben. Den Zusatztext erspare ich dem Leser. Ich musste spontan laut lachen. Dann fiel mir ein, das könnte ein zusätzlicher Effekt sein, den Amazon beabsichtigt – Lachen ist gesund. Lachen Sie also laut, wenn Sie Ihre nächste überdimensionierte Lieferung von Amazon erhalten oder besser, kaufen Sie doch lieber vor Ort ein!
Eine schöne Adventzeit wünscht Ihnen
Ihr Axel Bergmann