Doch das Rentnerdasein kam offenbar ein wenig zu plötzlich. Bald verstand der Betroffene selbst, welche Ursachen seine gesundheitlichen Probleme haben, die selbst Ärzte sich nicht erklären konnten: Als sich der Kraftfahrzeugmeister seiner schon in jungen Jahren geweckten Interessen am Modellbau erinnerte, waren die Herzbeschwerden im Nu vergessen. Weil er sein Berufsleben lang mit Motoren zu tun hatte, wollte er nun lauffähige Motoren als Modell nachbauen. Das war leichter gesagt als getan, da auf dem deutschen Markt die erforderlichen Teile nur kaum erhältlich sind. Aber über eine Zufallsbekanntschaft stieß Depping auf eine amerikanische Zeitschrift, die den in den USA häufiger anzutreffenden Motormodellbauern Tipps gibt und Konstruktionszeichnungen abdruckt. Depping frischte seine Englischkenntnisse auf und vertiefte sie mit technischen Begriffen. Und er richtete sich mit Dreh- und Fräsmaschine eine Werkstatt ein, um unbearbeitete Gussteile zu verfeinern. Sein Ziel: ein Vierzylinder-Reihenmotor der Marke De Havilland Cirrus.
Während sich für diesen und für Lindberghs Sternmotor noch Bauzeichnungen auftreiben ließen, gestaltete sich der Bau eines ersten Motorradantriebs schon weitaus schwieriger. Doch die einzylindrige „Norton”-Rennmaschine schien fast vergessen. Nur eine „Explosionszeichnung” fand sich in alten Dokumenten. Die Originalmaße konnte er an einem Museumsstück abnehmen.
Danach begann die aufwendige Tüftelei. Depping bezeichnet sie noch heute als eine „persönliche Herausforderung”. Präzision mit einer Genauigkeit von bis zu hundertstel Millimeter wurde verlangt. Selbst die vielleicht noch im Handel erhältlichen Schrauben und Muttern genügten seinen Qualitätsansprüchen nicht. So ließ er die oft winzigen Bauteile an Dreh- und Fräsmaschine in seiner Werkstatt von Hand entstehen. Für die Nockenwelle baute er sich aus einer alten Bremstrommel sogar eine eigene Schleifmaschine. Mehr als ein Jahr später röhrte der Motor nach dem Insider-Motto: „Es gibt nur einen Ton, nämlich Norton.”
Nun war der Ehrgeiz des Ruheständlers, der selbst früher gern mit dem Motorrad unterwegs war, endgültig geweckt. Einem BMW-Rennmotor aus den dreißiger Jahren folgte ein DKW-Aggregat und schließlich der Zweizylinder-V-Motor einer 500er Husqvarna, die 1933 und 1935 zu Europameister-Ehren gelangten. Alle diese Modelle hat er in der gläsernen Vitrine in seinem Wohnzimmer ausgestellt. Die international errungenen Auszeichnungen liegen gleich daneben: Dreimal bereits ist der Konstrukteur, dem eine Fachzeitschrift bereits den Titel „Modellathlet” verliehen hat, in Großbritannien mit Goldmedaillen bedacht worden. Daneben gab es einmal Silber und zweimal den begehrten Westbury-Wanderpreis. Ein dickes Album dokumentiert alle Arbeiten von der Zeichnung bis zum lauffähigen Produkt.
Aber er ist ein Einzelkämpfer geblieben. Während in den USA und auch noch in Großbritannien, wo allerdings mehr dampfbetriebene Motoren entstehen, der Modellbau recht ausgeprägt ist, soll es in Deutschland nur noch im Rhein-Main-Gebiet einen kleinen Kreis Gleichgesinnter geben. Doch das ist Rolf Depping ganz egal: Der Einzelkämpfer hat schon ein neues Projekt ins Auge gefasst. Zwar befinde es sich „noch ganz weit hinten im Hinterkopf”; doch es besteht kein Zweifel. dass er sich bald an die Arbeit macht. „Der 350er NSU-Rennmax soll es sein”, verrät er. Aber zunächst freut er sich auf viele interessierte Fragen aus dem Publikum am morgigen Sonntag. Im Stundenabstand will er in Lauenau den Worten zudem Taten folgen lassen: Lindberghs Motor wird mehrfach zu hören sein. Foto: al