Das politische Schwergewicht war vor allem eines: in Wahlkampfstimmung und voller Angriffslust. Und die traf in erster Linie die CDU-Kanzlerin, die einen „Stillstand” verursache. Für Deutschland aber sei es „gefährlich, die Zeit zum Handeln zu verpassen und die Dinge sich entwickeln zu lassen”. Zukunftssichernde Reformen müssten her, etwa bei der frühkindlichen Betreuung, um nicht „erstklassig ausgebildete Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verlieren”, forderte der Altkanzler. Frauen bräuchten genügend Betreuungsmöglichkeiten, um ihren Beruf ausüben zu können, statt das „idiotische Betreuungsgeld”. „Damit hat Merkel eine Rolle rückwärts gemacht”, bellte er in den Saal. „Allein schon ein Grund, für den diese Regierung abgewählt gehört.” Ein führender Politiker müsse das Risiko eingehen, wichtige Entscheidungen für das Land zu treffen, die vielleicht zu keiner Wiederwahl führten – „Das vermisse ich an der gegenwärtigen Bundesregierung.”
Hinsichtlich der Euro-Frage sei nicht Merkels grundsätzlicher Kurs zu kritisieren. Er warf ihr aber vor, dem deutschen Volk zu verschweigen, „dass und was es kosten wird”.
Die Stimmung habe sich seit dem TV-Duell verändert, so der 69-jährige Altkanzler. Peer Steinbrück sei besser gewesen, obgleich die Medien bestenfalls ein Unentschieden daraus gemacht hätten. Seine Genossen ermunterte er zum Kämpfen. „Ich bin froh, dass sich meine Partei an ein Luther-Wort erinnert: Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz!”, feuerte er ins Publikum. Eine Zeit lang sei ihm die SPD zu „wenig selbstbewusst und angriffslustig” gewesen.
Jetzt sei er aber überzeugt: „Da geht noch was!” Und das habe mit „Kampfbereitschaft, Stolz auf das Geleistete und Selbstbewusstsein” zu tun.
Im Anschluss der Rede saßen die beiden Parteikollegen Schröder und Edathy gemütlich in kleiner Runde auf der Bühne, tranken Schaumburger Bier („Das ist heute Abend unsere Art Wirtschaftsförderung zu betreiben”, scherzte Schröder), tippten, dass die deutsche Nationalmannschaft als Sieger aus dem Länderspiel gegen Österreich gehen würde und zogen ordentlich vom Leder. Die SPD habe in der Großen Koalition die Arbeit geleistet, auf der sich heute die anderen ausruhten, waren sich die Sozialdemokraten einig. Zum Abschied gab es für den Ex-Kanzler einen Kasten Schaumburger Bier.
Die Geste quittierte Schröder mit einem Satz, der bei dem am Abend immer wieder auftauchenden Bierthema längst überflüssig war. „Eigentlich hätte ich sagen müssen: Hol mir mal ‘ne Flasche Bier!” Foto: jl