„Mir fiel die Decke auf den Kopf“ | Schaumburger Wochenblatt

11.04.2024 08:57

„Mir fiel die Decke auf den Kopf“

Michael Letsch hat seinen Platz für persönliches Engagement in der Fahrradwerkstatt gefunden. (Foto: gk)
Michael Letsch hat seinen Platz für persönliches Engagement in der Fahrradwerkstatt gefunden. (Foto: gk)
Michael Letsch hat seinen Platz für persönliches Engagement in der Fahrradwerkstatt gefunden. (Foto: gk)
Michael Letsch hat seinen Platz für persönliches Engagement in der Fahrradwerkstatt gefunden. (Foto: gk)
Michael Letsch hat seinen Platz für persönliches Engagement in der Fahrradwerkstatt gefunden. (Foto: gk)

Seit neun Jahren gibt es eine Bürgerinitiative in Bad Nenndorf, die völlig ehrenamtlich aktiv ist, und nichts von „lautem Auftritt“ hält. Es ist die „Bürgerinitiative FafF – Fahrräder für Flüchtlinge und umweltfreundliche Zweiradmobilität Bad Nenndorf“, die ihr Quartier, genauer gesagt ihre Werkstatt und Lagerräume, im ehemaligen Feuerwehrgerätehaus hinter dem Rathaus an der Rodenberger Straße in Bad Nenndorf hat. Zu Beginn kam die Initiative in einem leerstehenden Gasthaus im Kurhaus unter. Michael Letsch ist nahezu von Anfang an dabei. „Als Ruheständler fiel mir die Decke auf dem Kopf“, erzählt er. „Da habe ich einen Artikel über die neu gegründete Bürgerinitiative im Schaumburger Wochenblatt gelesen. Vor allem den Hinweis, dass dort Freiwillige für ehrenamtliche Tätigkeiten gesucht werden. Zumal ich nicht nur Maschinenbauer bin, sondern immer schon gerne an Autos und Motorräder geschraubt habe, schien mir das ein geeignetes Feld, um mich zu engagieren.“

Inzwischen ist er der Sprecher der Bürgerinitiative und kann mit weiteren zehn aktiven Ruheständlern im Team, aus ganz unterschiedlichen Berufen, auf eine Erfolgsstory zurückschauen: „Aus gebrauchten Fahrrädern konnten wir inzwischen insgesamt über 1.800 Zweiräder reparieren und fahrtüchtig an die Flüchtlinge und Hilfsbedürfte Personen aushändigen. Rund 99 Prozent der Alträder bekommen wir wieder hin“, freut sich Letsch.

„Alle, die mit einem entsprechenden Sozialnachweis zu uns kommen, können auch ein Fahrrad erhalten. Als Gegenleistung zahlen sie fünf Euro, für die wir wieder neue Ersatzteile kaufen können.“ Parallel zu den vielen Reparaturen und „Buchführungen, die sehr umfangreich sind“, stellt er sich mit seinem Team auch den „Hilferufen von Nichtbedürftigen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, die um eine Reparatur an ihrem Fahrrad bitten, weil sie alleine zum Beispiel gar nicht bis nach Stadthagen in ein Fahrradgeschäft kommen“. Ersatzteile hätten diese Kunden selbstverständlich selbst zu bezahlen, hebt er hervor. „Aber daraus wird meistens eine Spende, die nicht nur das Ersatzteil abdeckt, sondern auch für Anschaffungen von weiteren benötigen Ersatzteilen eingesetzt werden kann.“

Jede Woche setzt er so mit seinem Team viele Stunden in der Werkstatt und in der Betreuung der Kunden ein. Mit einem Augenzwinkern sagt er: „Aber dann sind da auch noch die Altfahrräder aus den Privathaushalten, ohne die wir dieses Angebot gar nicht machen könnten. Wir brauchen immer wieder Fahrräder. Wer eins abzugeben hat, der melde sich bitte bei uns, damit wir es abholen. Auch das muss geplant und gut organsiert werden.“ Er sei deshalb sehr froh, „dass die Stadt die Räumlichkeiten der Werkstatt und den Container für die Einlagerung der Fahrräder, zusätzlich auch die Kosten für Strom, Heizung und anderes mehr übernimmt. Aus eigenen Mitteln wäre es nicht möglich.“ Die Werkbänke, Maschinen und Werkzeuge habe er mit allen Aktiven immer wieder zusammengetragen und ergänzt. „Teilweise gehören inzwischen auch Werkzeugbestände von vergleichbaren Initiativ-Werkstätten dazu, die ihre Arbeit inzwischen aufgegeben haben“, so Letsch.

Auch komplexere Anforderungen werden nach Möglichkeit gemeistert. „Wir hatten zum Beispiel einen Menschen mit körperlichen Einschränkungen, der mit einem nicht mehr fahrtüchtigen Dreirad zu uns kam, das aber auch nicht mehr zu reparieren war. Da haben wir zusammen geplant und gewerkelt, bis letztlich ein fahrtüchtiges Dreirad daraus hervorging, womit wir diesem jungen Mann helfen konnten.“ Nachdenklich fügt er an: „Was mir ausgesprochen schwer fällt ist, einer notleidenden Familie sagen zu müssen, dass wir kein geeignetes Fahrrad für das Kind haben. Deshalb appelliere ich immer wieder: Bitte, wer ein Kinder- oder ein Jugendrad hat, was er nicht mehr braucht, der sollte es uns überlassen.“ Bei aller Aktivität im Einsatz für die Hilfsbedürftigen dürfe auch der Spaß bei der Arbeit nicht zu kurz kommen, ist er sich sicher. „Ohne Spaß geht gar nichts. Nur im wirklichen Team, mit Witz und Humor, kann man so etwas ehrenamtlich umsetzen. Weil wir wissen, wie wichtig die Gemeinschaftspflege für uns ist, gehen wir auch einmal im Monat gemeinsam aus.“ - Und dann ist noch lange nicht Schluss, sagt er. „Dann bin ich auch noch als Übungsleiter bei den Alten Herren des TUS Kreuzriehe-Helsinghausen aktiv - auch ehrenamtlich selbstverständlich.”


Winfried Gburek
Winfried Gburek

Freier Redakteur Schaumburger Wochenblatt

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