Man könnte meinen, ein ICE rauscht nicht nur über Schienen, sondern auch über Stimmungen hinweg. Die jüngste Entscheidung der Bahn hinterlässt jedenfalls vor allem eines: das Gefühl, dass Regionen wie Schaumburg und die direkt mitbetroffenen Nachbarn zum Abstellgleis für große Verkehrspolitik werden.

Die neue ICE-Trassenentscheidung liest sich wie eine Parabel darauf, wie Politik und Infrastrukturplanung heute funktionieren: Man nennt es Bürgerdialog, aber im Hintergrund steht längst das Preisschild. Und wer am wenigsten kostet, bekommt die Last.

Die groß angekündigte Öffentlichkeitsbeteiligung, die über Jahre lief? Sie wirkte am Ende wie ein höfliches Anhören, bevor man doch das macht, was längst feststand, nämlich die billigste Trasse nehmen. Dass diese ausgerechnet mitten durch eine der wertvollsten landwirtschaftlichen Zonen der Bückeburger Niederung führt, samt denkmalgeschütztem Rethof – geschenkt. Dass Dörfer seit Monaten in Angst leben, wo genau der Lärm und die Schneisen durch ihre Felder verlaufen – offenbar unvermeidlich.

Natürlich. Deutschland braucht gute Bahnverbindungen. Niemand stellt das in Abrede und es ist auch klar, dass jemand, der nicht im betroffenen Ausbaugebiet lebt, darauf mit einem ganz anderen Blick schaut. Dabei ist klar: Deutschland braucht Infrastruktur. Aber braucht es sie um jeden Preis? Die Bahn spricht von Chancen, die Politik von Prioritäten. Zurück bleiben Menschen, die nicht wissen, wie nah der Lärm kommt, welche Felder morgen noch bewirtschaftbar sind und ob ihre Heimat in ein paar Jahren nur noch ein Durchfahrtsraum ist.

Aber wird dafür jetzt die Fläche geopfert, die am wenigsten Lobby hat? Muss immer dort gebaut werden, wo es am billigsten ist – und nicht dort, wo es am sinnvollsten wäre?

Und die wichtigste Frage: Wenn wir Tempo 300, 31 Minuten Fahrzeit und Milliardenkosten über alles stellen – was bleibt dann eigentlich noch übrig von regionaler Teilhabe, Landschaftsschutz und ehrlicher Planung? Also was meinen Sie: Was sollen wir alles opfern?