Kürzlich las ich einen Artikel über die Diskussion, ob in einem Schaumburger Freibad in der nun beginnenden Saison das Baden mit unbedeckter „weiblich gelesener Brust“ erlaubt werden solle. Nachdem ich den Text ehr uninteressiert quergelesen hatte, nahm ich mir den Inhalt etwas genauer vor. Irgendwie hatte sich da etwas in meinem Kopf eingenistet, was geklärt werden musste. Dann schoss es mir wie ein Blitz durch die Gedanken – was ist eigentlich mit der seit Jahrzehnten gewohnten Formulierung „Oben-Ohne-Baden“ geworden? Ist das nicht mehr erlaubt, das so zu formulieren? Jep, dachte ich mir, auch die nicht von Badekleidung bedeckte männliche Brust ist ja defacto „Oben-Ohne“ – aber jedes männliche Wesen (der verzweifelte Versuch, auch in diesem Text einmal zu gendern) konnte doch und kann wohl auch heute noch, etwas mit der Formulierung anfangen. Beim Stöbern im www fand ich eine Reihe von ähnlich wie in unserem Landkreis gelagerten Fällen; teilweise mussten sich Gerichte mit Klagen von Trägerinnen der weiblich gelesenen Brust auf Gleichbehandlung in Frei- und Hallenbädern auseinandersetzen. Wohl gemerkt – die Frage nach dem Ja oder Nein, dem erlaubt oder untersagt, interessiert mich an dieser Stelle herzlich wenig; vielmehr beschäftigt mich die Frage, was passiert hier eigentlich mit unserer Muttersprache (heißt das überhaupt noch so, oder muss ich jetzt überall den Begriff „Erstsprache“ benutzen)? Ich könnte vermutlich noch eine große Zahl weiterer Beispiele finden – versuchen Sie es einmal im Internet. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen - wie müssen wir sprachlich auf die kleine Gruppe von Personen reagieren, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, oder die sich „im falschen Körper befinden“? Da passt dann auch die weiblich gelesene Brust nicht mehr. Ich sehe mich gemeinhin als einen sehr toleranten Menschen und selbstverständlich müssen wir als Gesellschaft akzeptieren, wenn sich jemand in seinem naturgegebenen Körper nicht wohlfühlt. Müssen wir aber unsere gewachsene Sprache, die ja, wenn man Personen aus anderen Ländern Glauben schenkt, eine schwer zu erlernenden ist, auf jedwede Situation verändern? Aus berufenem Munde habe ich erfahren, dass Abgeordnete eines Landesparlamentes beim Betreten des Rednerpultes die Begrüßung nicht mehr mit „Sehr geehrter Herr Präsident / wahlweise geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen“ beginnen, sondern sich auf ein „Liebe Alle“ beschränken – vermutlich in der Hoffnung, damit „Alle“ zufrieden zu stellen. Die deutsche Sprache hat eine Reihe von Veränderungen hinter sich – 1. Und 2. Lautverschiebung, mittelhochdeutsche Lautverschiebung (aus der Krahi wurde die Krähe)- das fand jedoch über die Jahrhunderte ihre Gründe im Zusammenrücken der Bevölkerung in Deutschland. Aus meiner Sicht quälen wir uns derzeit mit Änderungen, die nur schwer zu akzeptieren sind – und dabei bin ich noch gar nicht beim Gendern angelangt. Mein ganz persönliches Highlight zum „Oben Ohne-Thema“ erlebte ich letztendlich bei einer größeren Veranstaltung im Landkreis, als wir in einer gemütlichen Runde auf das Thema kamen. Eine der beteiligten Frauen (!) meinte, sie sei dagegen, dass Oben Ohne erlaubt würde – schließlich sei es ja nicht immer ein ästhetischer Anblick. Beinahe hätte ich mich an meinem Drink verschluckt und konnte nicht umhin, das Bild eines extrem adipösen Mannes in einem Badestring heraufzubeschwören. Bei dem Anblick stellt sich die Frage nach erlaubt oder verboten definitiv nicht und nach Ästhetik wohl überhaupt nicht. Ich konnte das Bild mit dem Mantra „Hundebabys, Hundebabys, blaue Elefanten, blaue Elefanten…“ verdrängen. Meine Bitte: Lasst uns doch etwas toleranter und entspannter mit der Frage nach der absolut richtigen und politisch korrekten Formulierung umgehen – der Alltag wird es uns danken!
Ihr Axel Bergmann