Unsere Serie: Wie geht das eigentlich? Wie räumen Kampfmittelbeseitiger eine Bombe - Moderne Technik und Teamarbeit | Schaumburger Wochenblatt

30.10.2025 11:09

Unsere Serie: Wie geht das eigentlich? Wie räumen Kampfmittelbeseitiger eine Bombe - Moderne Technik und Teamarbeit

Ist der Zünder entfernt, ist der kniffligste Teil der Aufgabe geschafft, und die Bombe kann abtransportiert werden. (Foto: Tauber)
Ist der Zünder entfernt, ist der kniffligste Teil der Aufgabe geschafft, und die Bombe kann abtransportiert werden. (Foto: Tauber)
Ist der Zünder entfernt, ist der kniffligste Teil der Aufgabe geschafft, und die Bombe kann abtransportiert werden. (Foto: Tauber)
Ist der Zünder entfernt, ist der kniffligste Teil der Aufgabe geschafft, und die Bombe kann abtransportiert werden. (Foto: Tauber)
Ist der Zünder entfernt, ist der kniffligste Teil der Aufgabe geschafft, und die Bombe kann abtransportiert werden. (Foto: Tauber)

Wie räumen Fachleute eine Bombe, um Gefahr beispielsweise von Bauarbeitern bei ihren Eingriffen in den Untergrund eines Grundstückes abzuwenden? Simon Gremmler, Betriebsleiter bei der Tauber Unternehmensgruppe, einem Fachunternehmen für die Kampfmittelräumung und den Systemtiefbau, gab der Redaktion einen Einblick in die verschiedenen Schritte, die zur Beseitigung der teils zentnerschweren Blindgänger nötig sind.

Handarbeit auf dem letzten Meter

„Den letzten Meter bis zur Bombe gräbt der Truppführer immer in Handarbeit“, erklärte Diplom-Geophysiker Simon Gremmler. Mit Spaten oder Schaufel legen diese Fachleute also die Fliegerbombe vorsichtig frei und arbeiten sich zum Zünder vor. Dieser sei entscheidend, wie Gremmler erläuterte. Der Explosivstoff in den Sprengbomben des Zweiten Weltkriegs allein sei vergleichsweise stabil. Um ihn zur Reaktion zu bringen sei eine hohe Energie nötig, die der Zünder aufbringt.
Also gilt es, diesen zu entfernen, um die Bombe anschließend sicher räumen zu können. Der Ausbau des Zünders erfolgt dabei vor allem mit ferngesteuerten Mitteln. So setzen die Kampfmittelräumer von Tauber zum Beispiel häufig auf ein ferngesteuertes, mobiles Wasserschneidegerät. Der Wasserstrahl frisst sich unter Hochdruck videogesteuert ohne Funkenflug auch durch dicken Stahl, so dass der Zünder schließlich durch den Druck aus der Bombe gedrückt wird und von der Bombe entfernt werden kann. Die Kampfmittelräumer steuern und überwachen das System von einem gepanzerten Container aus. Aufschlagzünder sind oft vergleichsweise gut zu entschärfen, kniffliger wird die Sache bei chemischen Langzeitzündern. Der Truppführer kann sich auch für eine kontrollierte Sprengung vor Ort entscheiden, wenn eine Entschärfung als zu gefährlich erscheint.

Historische Luftbilder geben Hinweise

Dem eigentlichen Räumen geht jedoch ein mehrstufiger Prozess voraus, schließlich muss der genaue Standort der Bomben erst gefunden werden. Hierzu greifen Spezialunternehmen wie Tauber und die staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienste auf Luftbilder der Britischen und US-Luftwaffen zurück. Diese fotografierten die von ihnen angegriffenen Gebiete anschließend systematisch zum Zwecke der Erfolgskontrolle, wie Simon Gremmler erläuterte. Sind in einem möglicherweise betroffenen Gebiet Bauarbeiten geplant, machen sich zunächst die Luftbildauswerter an die Arbeit. Die historischen Fotografien erlauben die Einschätzung, wie schwer ein Gebiet betroffen ist und wie Gefahrenquellen durch Kampfmittel dort einzuschätzen sind. Die Auswerter spüren auf ihnen Krater und zerstörte Gebäude auf, die von detonierten Bomben stammen. Ebenso Löcher, die den Einschlag nicht explodierter Bomben anzeigen. Ein Problem: Je nach Bodenbeschaffenheit schlugen die Blindgänger leicht vier bis fünf Meter tief in den Boden ein. Durch die Geschwindigkeit des Flugzeuges zudem in Schrägrichtung, so dass die Bomben zumeist nicht direkt unter dem Eintrittsloch, sondern versetzt zu finden sind. Deshalb kann es zum Beispiel auch sein, dass man Blindgänger unter Gebäuden findet, die den Krieg völlig unbeschadet überstanden haben, wie Simon Gremmler erläuterte.

Verschiedene Sondierungstechniken

So müssen in den betroffenen Gebieten genauere Untersuchungen vorgenommen werden, um den exakten Standort von Bomben zu ermitteln. Hier setzen die Geophysiker je nach Bedingungen am Fundort unterschiedliche Verfahren ein. Bei der Oberflächensondierung schieben die Fachleute je nach Bedarf verschiedene Messsysteme vor sich her, um den Boden bis in eine Tiefe von drei Metern, im Idealfall bis zu sechs Metern Tiefe, untersuchen zu können. „Für viele Flächen erfolgt diese Sondierung in Handarbeit und zu Fuß direkt im Gelände“, so Simon Gremmler. Gerade bei großen Flächen können die Systeme aber auch von Fahrzeugen gezogen werden oder es werden Drohnen eingesetzt. Mit der Bohrlochsondierung können größere Tiefen erreicht werden. Hierbei werden erschütterungsarme, nicht schneidende Bohrverfahren genutzt, um die Gefahr zu minimieren. Mit der Magnetik, der Elektromagnetik und dem Georadar stehen den Geophysikern je nach Untergrund drei verschiedene Verfahren zur Verfügung, um bei der Suche nach Kampfmitteln in den Boden „hineinzusehen“.

Genaue Kenntnis über verschiedenste Kampfmittel

Sind die Blindgänger lokalisiert, geht es an das Bergen. Wie erwähnt müssen sich die Fachleute an die Bombe herangraben. Anfangs kann das noch mit einem speziell gepanzerten Bagger erfolgen. Müssen Spundwände gesetzt werden, werden diese in einem vibrationsfreien Pressverfahren eingebracht. Teils ist es nötig, unter dem Grundwasserspiegel zu arbeiten und entsprechende Techniken zu nutzen. Stets muss ein sogenannter Truppführer auf der Räumstelle anwesend sein. Die Befähigung hierzu erlangen sie in einem speziellen Lehrgang nach dem Sprengstoffrecht, in dem sie Kenntnis über die verschiedenen von den Allierten und der Wehrmacht eingesetzten Bomben sowie viele weitere Kampfmittel erwerben.
Die Entschärfung der Kampfmittel übernimmt je nach Bundesland meist der staatliche Dienst.

Arbeit geht Spezialisten nicht aus

Den verschiedenen Spezialfirmen und staatlichen Diensten dürfte die Arbeit so bald nicht ausgehen. Rund 4 Millionen Srengbomben haben die Alliierten mit ihren Flugzeugflotten im Zweiten Weltkrieg laut Schätzungen über dem Deutschen Reich abgeworfen. Man gehe von einer Blindgänger-Quote von etwa 10 bis 15 Prozent aus, so Simon Gremmler. Vieles wurde natürlich schon im Krieg oder seitdem geräumt, grob geschätzt rund 100.000 Bombenblindgänger dürften jedoch vor allem in den Ballungszentren noch im Boden stecken. Nicht zuletzt, weil im Sinne von Nachverdichtung und Flächeneinsparungen verstärkt innerstädtische Gebiete wieder überbaut werden, wird die Kampfmittelräumung noch sehr lange ein Thema bleiben. „Ziel der Maßnahmen ist es stets, dass der Bauarbeiter nicht unvorbereitet auf Kampfmittel stößt und Gefahr an Leib und Leben nimmt“, betonte Simon Gremmler.
Wobei Kampfmittelräumung über die Bergung von Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg hinausgeht. Von der Panzer- oder Artilleriegranate aus den Bodenkämpfen über Kleinmunition bis hin zu Kampfmitteln zum Beispiel auf Übungsplätzen aus dem Ersten Weltkrieg ergibt sich ein viel umfangreicheres Spektrum. Simon Gremmler mahnte bei Zufallsfunden, größte Vorsicht walten zu lassen und Kampfmittel nicht anzufassen. Auch kleinere Munitionsteile könnten eine verheerende Wirkung entfalten.
Foto: Tauber

Tauber Unternehmensgruppe

Jahrzehntelange Erfahrung bei der Kampfmittelräumung

Die Haupttätigkeit der Tauber-Gruppe mit ihren rund 680 Mitarbeitenden ist die Kampfmittelräumung, hinzu kommt der Systemtiefbau. Der Standort in Rodenberg, Tauber GmbH Bauunternehmung, widmet sich dem erdverlegten Rohrleitungsbau.


    Bastian Borchers
    Bastian Borchers
    Redakteur Schaumburger Wochenblatt
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