In der Nordstraße laufen derzeit die Abrissarbeiten an mehreren alten Gebäuden, deren historische Fachwerkfassaden teilweise rekonstruiert werden sollen. Das Bauvorhaben des Investors Rainer de Groot hat eine Debatte ausgelöst, die nun zu einer Änderung der städtischen Sondernutzungsgebührensatzung führt. De Groot hatte bei der Vorstellung seiner Pläne deutlich Kritik geübt: Wer zur Aufwertung der Innenstadt beitrage, dürfe nicht durch zusätzliche Gebühren belastet werden. Er sprach von einer „Strafsteuer“, die ihn trotz denkmalpflegerischer Bemühungen zur Kasse bitte.
Die Stadtverwaltung hat auf diese Kritik reagiert und schlägt eine gezielte Entlastung für Vorhaben mit besonderem öffentlichem Interesse vor. Mit der vierten Änderung der Satzung über die Erhebung von Sondernutzungsgebühren soll künftig eine Ermäßigung von bis zu 50 Prozent möglich sein, vorausgesetzt, die beantragte Sondernutzung steht in direktem Zusammenhang mit denkmalpflegerischen Maßnahmen oder weist ein erhöhtes städtebauliches Interesse auf.
Ziel der Neuregelung ist es, den Erhalt historischer Bausubstanz und die Aufwertung des Stadtbildes zu fördern. Denkmalgeschützte Gebäude prägen nicht nur die kulturelle Identität Wunstorfs, sondern tragen auch zur Attraktivität der Innenstadt bei. Wer sich für deren Pflege und Erhalt engagiert, soll künftig finanziell entlastet werden. Gleiches gilt für Vorhaben, die durch innovative Gestaltung oder besondere Qualität zur Verbesserung des öffentlichen Raums beitragen. Die neue Regelung wird in § 6 der Satzung verankert. Dort heißt es künftig, dass die Sondernutzungsgebühr auf Antrag um bis zu 50 Prozent reduziert werden kann, wenn der erhöhte finanzielle Aufwand nachgewiesen wird oder ein städtebauliches Interesse vorliegt. Die Entscheidung über eine Ermäßigung trifft demnach das zuständige Baureferat nach fachlicher Prüfung.
Mit der Einführung dieser Ermäßigungstatbestände rechnet die Stadt grundsätzlich mit geringeren Einnahmen aus Sondernutzungsgebühren. Wie hoch diese Mindereinnahmen ausfallen, lasse sich derzeit nicht beziffern, da Anzahl und Umfang entsprechender Anträge schwer vorhersehbar seien. Bezogen auf das Beispiel in der Nordstraße würde eine 50-prozentige Ermäßigung für die zweijährige Sondernutzung rund 22.000 Euro weniger in die Stadtkasse spülen. Ein Vergleich mit den Nachbarkommunen zeige, dass auch dort Gebührenreduzierungen möglich sind, allerdings unter anderen Voraussetzungen. Während in Neustadt nur bei unbilliger Härte eine Stundung oder ein Erlass vorgesehen ist, gewähren Barsinghausen und Seelze Ermäßigungen bei öffentlichem Interesse. Damit ginge Wunstorf mit der vorgeschlagenen Satzungsänderung einen eigenen Weg, weil man sich auf den Denkmalschutz und die Stadtentwicklung fokussieren wolle.
Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt mahnt allerdings zur Vorsicht. Es weist darauf hin, dass Sondernutzungsgebühren eine wichtige Einnahmequelle darstellen und warnt vor möglichen finanziellen Folgen. ”Die mit einer Gebührenreduzierung verbundenen Mindereinnahmen werden voraussichtlich dazu beitragen, dass an anderer Stelle künftige Entgelte oder Steuern in vergleichbarer Größenordnung erhöht werden müssen”, heißt es in der Stellungnahme zur Verwaltungsvorlage. Zudem empfiehlt es, eine feste Ermäßigungshöhe von 50 Prozent festzulegen, um Verwaltungsaufwand und Streitigkeiten zu vermeiden. Trotz dieser Bedenken überwiegt aus Sicht der Verwaltung der gemeinwohlorientierte Nutzen. Die neue Regelung soll nicht nur zur nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen, sondern auch langfristig positive wirtschaftliche und touristische Effekte für Wunstorf entfalten.
Das sieht der Unternehmer Rainer de Groot allerdings ganz anders. Der Stadtanzeiger hat bei ihm nachgefragt, was er von dem Vorschlag der Verwaltung hält. Er zeigt sich enttäuscht. ”Das geht am Ziel vorbei. Die Motivation für Investoren, in der Innenstadt aktiv zu werden, wird damit nicht wirklich gefördert”, sagt er. Sollte das so bleiben, sende die Stadt das falsche Signal.
Der Neubau in der Nordstraße 5 bis 9 soll bis Ende 2026 fertiggestellt werden. Er vereint historische Fassaden mit zeitgemäßer Architektur und bietet Raum für Wohnen, Gewerbe und Einzelhandel. Die Investitionssumme beträgt rund 5 Millionen Euro.